Interkulturelle Friedenswirkstätte

Frieden achtsam miteinander leben und aus den Potentialen der Gruppe schöpfen, um Frieden zu bewirken

 

Die Friedenswirkstätte ist ein Ort, an dem Frieden achtsam miteinander gelebt und bewirkt wird. Ausgehend von einem Impuls von inkontra und dem Friedenskraftwerk Vorarlberg beteiligten sich weitere Vorarlberger Initiativen und Einzelpersonen. Gemeinsam ermöglichten wir ein Zusammenkommen, in dem Menschen mit verschiedenen Sprachkenntnissen, Kulturen und Religionen willkommen sind, die Frieden bewirken möchten. Besonders wichtig war es, auch die Teilnahme für Menschen zu ermöglichen, die aus dem Krieg geflohen sind, um in Frieden zu leben. Ermöglicht wurde die Überwindung sprachlicher Grenzen sowohl durch non-verbalen Dialog als auch mittels Übersetzer*innen. Durch das Angebot der Kinderbetreuung konnten auch Familien teilnehmen. Das Schöpfen aus der Vielfalt war von einer offenen Haltung der Gastgebenden, der flexiblen Dialogstruktur und dem elizitiven Ansatz getragen.

 

Was wir miteinander bewirkten... 

 

Beim ersten Zusammenkommen am 4. März 2017 stimmten sich die 35 Teilnehmenden aus 7 verschiedenen Ländern aufeinander ein: Durch Spiele und Kreisdialoge ergründeten wir, was Frieden für uns bedeutet. Im Laufe des Nachmittags wurde sichtbar, was für Ideen, Visionen und Qualitäten für den Frieden in der Gruppe liegen. Zum Anschluss formten wir ein theatrales Bild, um auszudrücken, wie in der Welt wirken (möchten). So entstand ein Raum, in dem unterschiedliche Erfahrungen, Kulturen und Konfliktthemen zu einem Potential für den Frieden werden können.

   

Dabei wurde deutlich, dass nicht alle in ihrer eigenen Lebensgeschichte Frieden erlebt haben, dass aber alle Ressourcen für den Frieden mitbringen - alle verstehen etwas davon, wie Frieden bewirkt werden kann, wie wir einander mit einer friedlichen Haltung begegnen können. Egal ob es darum geht, für Frieden zu beten, zuzuhören, ohne Angst miteinander lachen zu können, sich mit Respekt zu begegnen, Fragen zu stellen oder Räume aufzusuchen, in denen „echte“ Begegnung passiert, jede*r bringt etwas Wertvolles mit. Im Theaterbild zum Schluss zeigt sich eine große Bereitschaft, sich einzubringen und etwas von sich selbst zu teilen.

 

Die zweite Friedenswirkstätte am 1. April begannen wir mit einem kurzen Theaterstück, das ein somalischstämmiger Teilnehmer sich als Aprilscherz ausgedacht hatte. Das Stück spiegelte sprachliche und kulturelle Missverständnisse wider und eröffnete den Austausch über die Tradition des Tages. In den Spielen und Dialogen beschäftigten wir uns mit der Frage: „Was ist schön und was ist schwierig am Anderssein?“ Diese Frage ließen wir in einem Mandala ausklingen: Von den individuellen verschiedenen Mandalas bewegte sich das Spiel der Farben und Formen hin zu einem gemeinsamen Zentrum.

In dieser zweiten Wirkstätte offenbarte sich ein Konsens, der im gesprochenen Dialog greifbar wurde: Jede*r von uns wäre anders, wenn er/sie anderswo geboren wären. Die Schwierigkeiten des Andersseins ergeben sich weniger in konkreten Konfliktthemen als einfach im als Anders wahrgenommen werden an sich und an der Einsamkeit, die damit einhergehen kann. Anders sein, im Sinne von Fremd sein, birgt auch viele praktischen Herausforderungen: Wie komme ich mit einem anderen Klima und in einem anderen Sprachraum klar. Diese praktischen Erfahrungshorizonte waren allen bekannt. Andere Erfahrungen, die wir teilten, bezogen sich hingegen auf Extremsituationen. So etwa auf die Erfahrung, mit Menschen in einem sinkenden Boot im Mittelmeer zu sein. Zu Erleben, wie diese Menschen unterschiedlichster Herkunft plötzlich alle gleich werden: Sie werden zu Leben inmitten von Leben, das leben will. Oder die Geschichte einer älteren Frau, die einige Monate im Regenwald gelebt hatte: Sie erzählte vom anders-Sein und vom anders-Werden; Davon, wie die Kinder, mit denen sie arbeitet, sich auf Überraschungen freuen; Und davon, dass sie, als alte Frau, sich wünscht den Überraschungen im anders-Werden mit dieser unvoreingenommenen Freude zu begegnen. Sie schloss ihre Erzählung mit dem sehnlichen Wunsch, dass hoffentlich auch die Kinder, die auf der Flucht sind, Überraschungen immer noch als etwas Schönes erleben können.

   

 

Bei der dritten Friedenswirkstätte vertieften wir den Theaterdialog und tauchten dabei auch in die Konflikte ein, die uns beschäftigen. Wir spielten das Theater zum Leben Spiel „Blinde Busse“, bei dem es um das Zusammenwirken in unterschiedlichen Rollen in Kleingruppen geht. Nur wenn diese verschiedenen Rollen zusammenspielen, kann der jeweilige „Bus“ fahren. Das Spiel steht dabei symbolisch für die Dynamiken und Strukturen im soziopolitischen Feld, Konflikte werden sichtbar. Nach den ersten Versuchen als „Busse“ zu fahren werden Ideen für ein effektiveres und angenehmeres Zusammenwirken abgefragt. Einzigartig war in dieser Runde, dass niemand die Verantwortung für das Gelingen auf einzelne schwächere Glieder in der Kette abgeschoben wurde, sondern sich alle Gedanken darüber machten, was denn die Gemeinschaft tun kann, um den unterschiedlichen Bedürfnissen und Rollen gerecht zu werden. Beeindruckenderweise zielten auch alle Ideen nicht nur darauf ab, das eigene Verhalten zu transformieren, sondern auch die auch die Gesamtspielregeln, ja gar die Ziele des Spiels zu reflektieren und verändern. So ergaben sich neue Spielregeln, die mehr Nähe unter den Spieler*innen zuließen und die Art der Kommunikation im Spiel neu definierten.

Angesichts der Tiefe, Kreativität und Vertrautheit in der Gruppe verzichteten wir diesmal auf eine Fokusfrage für den Kreisdialog und ließen den Fluss der Wortmeldungen freien Lauf. Im Kreisdialog wurden Themen angesprochen, die uns aktuell berühren. Sorgen, Widersprüche, Fragen, Bitten, Dankbarkeit, Vorschläge und Visionen fanden Eingang in den Kreis.

Dieser Austausch führte zu einem Gesamtbild davon, welche Bedürfnisse aktuell für den Frieden für uns von wesentlicher Bedeutung sind. Auf diesen Erkenntnissen baute sich unsere Ideenverwirklichung weiter auf. Im Anschluss an den Dialog erarbeiteten wir also  in Kleingruppen an gemeinsamen Projekten und Beiträgen bei Aktionen (Radiosendung „Was bedeutet Frieden für dich“ und Kunstprojekt „viele Frieden“, Umbrella March 2017).

Aus der zweiten und dritten Wirkstätte entstand auch eine Idee für eine Performance/Aktion, die am 13. Mai im Rahmen der „Emsiana“ zum Mitmachen einlud: „Du bist du. Ich bin ich. Wir sind Viele“ im Visionscafe Hohenems. Menschen von 8 bis 60 erlebten ein Puppentheater, führten Theaterdialoge und stellten und beantworteten sich gegenseitig Fragen mit der Theatersprache. Ganz besonders war dabei für die Teilnehmenden, dass es dabei keine richtigen und falschen Antworten gibt und auch die Kinder durch ihre Antworten zur Erweiterung unserer persönlichen, sozialen und politischen Perspektiven beitrugen.

 

Bei der letzten Friedenswirkstätte am 3. Juni sprachen wir etwa über: die Vielfalt von Friede; die verschiedenen Ausprägungen von Frieden und Konflikt auf den Kontinenten; die Erlebnisse in der Friedenswirkstätte, was bei uns angeklungen ist und weiterwirkt; Wünsche für die Zukunft;

Die forlaufenden Wirkungsräume, die sich in diesen vier Monaten für uns auftaten waren vielfältig. Einer davon wurde uns auch noch von Sebastian Mischitz (Offenen Jugendarbeit Dornbirn) ausführlicher vorgestellt: das Projekt welcome.zu.flucht.

Die Teilnehmenden erhielten anschließend auch Werkzeuge für die Umsetzung des Radioprojekts "Was bedeutet Frieden für dich?". Sieerfuhren von Ruth Kanamüller (Radio Proton), wie ein Aufnahmegerät bedient wird und wie Radiointerviews gemacht werden können.

Wir werden weiterwirken, sowohl einzeln miteinander, bei der gegenseitigen Unterstützung, bei Ausflügen, bei welcome.zu.flucht in interkulturellen Kleingruppen zum Radioprojekt, dem Kunstprojekt und für den Umbrella March 2017.

  

Ein riesengroßes Dankeschön an alle, die dieses Projekt möglich gemacht haben und an die tollen Teilnehmenden, die das Projekt zu dem Kraftfeld gemacht haben, was es war und ist.

 

 

Ton und Bild

Fotos aus der Friedenswirkstätte

Radiosendungen über die Dialoge bei der Friedenswirkstätte:   Dilaog 1. April       Dialog 6. Mai

 

 

Aus der Friedenswirkstätte entstandenes interkulturelles Radioprojekt "Salam I like it"

 

TeilnehmerInnen der Friedenswirkstätte verschiedener Herkunft erlernen bei Proton - das freie Radio alles was sie brauchen, um als RadiomacherInnen aktiv zu werden.

Nicht für alle Menschen ist Pressefreiheit gegeben. Umso mehr wollen wir das freie Radio als Medium nutzten, um mehrsprachige Sendungen zum Thema Frieden zu machen. Weiters treten Geflüchtete und Menschen ohne Fluchterfahrung gemeinsam im öffentlichen Raum als Medienschaffende auf, um zum Dialog über Frieden anzuregen, Menschen eine Stimme zu geben und zuzuhören.

Eindrücke zum Projekt und Sendungen zum Nachhören gibt es hier: Salam I like it. Radio Nabad, die Sendereihe zweier Friedenswirkstätte-Teilnehmer startete mit September 2017 an jedem zweiten Mittwoch von 15:00 bis 16:00 auf Proton - das Freie Radio.

 

 

 

 

Das Projekt wurde unterstützt von